100 Jahre Ausbruch des I. Weltkrieges
Das gesamte Jahr 2014 steht unter dem Motto
„100 Jahre Erster Weltkrieg –
Erziehung der Jugend Europas zum Frieden"
Impressionen
zur Fotoausstellung „Krieg, Leiden, Zerstörung“ (Natali Legance) im Lapidarium des Alten Berliner Garnisonfriedhofs,
30. Mai 2014
Liebe Gäste,
Wir haben Sie zu einer Vernissage und zwei Premieren eingeladen, danke dass Sie so zahlreich erschienen sind. Es ist die Premiere einer jungen Künstlerin – sie tritt mit ihren photographischen Arbeiten erstmalig an die Öffentlichkeit. Natali Legance ist in Georgien geboren, erhielt ihre allgemeine und musischen Ausbildungen in Israel und arbeitet seit Jahren an einem Berliner Krankenhaus in der Psychiatrie.
Für den Förderverein ist die Präsenz von Fotokunst im Lapidarium ebenfalls eine Premiere: zwischen die ehrwürdigen Sandsteine, Marmorstücke aus Carrara und Schlesien, zwischen die gusseisernen Kreuze und Gipsabformungen haben wir für einige Monate moderne Fotographie gehängt. Das ist spannend, erregend, unkonventionell.
Gefragt sind unsere Impressionen – ich werde Ihnen meine mitteilen und hoffe auf einen fruchtbaren Dialog.
Was Natali präsentiert, gruppiert sich vornehmlich um Arbeiten der digitalen Photographie. Modern, revolutionär an dieser Art von Photograpie und Bildbearbeitung ist das In-die-Tiefe-Gehen, die Unzufriedenheit mit der klassischen Einheit und Geschlossenheit des Bildes, das Infragestellen der traditionellen Linearität.
Werden wir konkret – sehen wir uns die Gruppe von Fotos an jener Wand an, deren Motive auf den ersten Blick Wasserspiegelungen sind. Der Amateurfotograf ist entsetzt, wenn eine Ente oder ein von einem Kind geworfener Stein die glatte Wasseroberfläche zerstört, in der sich ein farbenprächtiges Schloss spiegelt. Natali aber ergreift die Chance der gebrochenen Spiegelung und vermittelt uns die moderne philosophische Botschaft: die digitalen Pixel als die letzten Bausteine des photographischen Bildes lösen die strengen Linien des Mauerwerks auf, Pixel zerlegen die Kontinuität, eine neue, nun virtuelle Gesamtheit wird uns vor Augen geführt. Neue Sichtweisen entstehen, darauf folgen neue Denkweisen – in einer Zeit, wo scheinbar logische Abfolgen wie Krieg, Leiden, Zerstörung außer Kraft gesetzt werden müssen.
Folgen wir der Natalis Logik, so kann am Ende nur die Abstraktion, die Un-Gegenständlichkeit stehen – da hängt sie, jene drei Bilder an der gegenüberstehenden Wand. Die Linien sind absolut zerbrochen, von der Ursache der Zerstörung der Einheit, dort noch die Wellenbewegung des Wassers, ist hier abstrahiert. Der Philosoph in mir sagt:
Die Pixel haben die Photographie revolutioniert – eine virtuelle Realität entsteht – Es ist die Visualisierung des normalerweise Verborgenen. Nur dadurch aber kann moderne Kunst ungewöhnliche Sichtweisen erschaffen oder unsere Sehtraditionen und Denkgewohnheiten verändern helfen. Wir nötig die Welt solche Veränderung hat, macht uns der Blick auf jene Steinbrocken zwischen beiden Wänden unseres Lapidariums: es sind in den letzten Jahren gefundene Bauteile der 1943 durch Bomben zerstörten Berliner Garnisonkirche am Hackeschen Markt, Steine aus den Werkstätten der königlichen Baumeister Gerlach und Stüler.
Die dritte Richtung dieser neuen Ästhetik wird repräsentiert durch ein einziges Foto: Ein toter Hauseingang, eine Ruine aus der georgischen Hauptstadt Tbilissi des Jahres 1992. Georgien – damals wie heute noch Krise und Bürgerkrieg, versteckt und offen. Ein georgisches Wohnhaus – aber mit der Wirkung eines menschenleeren Bühnenturms im Theater ohne Kulissen, das Kulissenartige scheint die harten Realitäten des Krieges, des Brudermordes – nichts anderes ist ja Bürgerkrieg – zu übertünchen. Natali schiebt in diesen Photographien die Kulissen beiseite, öffnet uns den Blick – oder wie Stanley Kubrick in einem seiner Filme titelt: EYES WIDE SHUT! Vor der Realität der weltweiten politischen Krisen und Bürgerkriege kann man und muss man die Augen nicht verschließen.
Die photographische Botschaft auch hier wieder: weg mit den bisherigen Seh- und Denkgewohnheiten – wir dürfen uns nicht an den Anblick von Ruinen und von Menschen entleerten Gebäuden gewöhnen! Natali verfremdet den Anblick der Ruine, damit keine neuen Ruinen entstehen!!!
Sie fotografiert nicht die Toten des Bürgerkrieges oder die Verletzten, sie fotografiert den toten Stein, das vergewaltigte Haus, die zerstörte Glasscheibe im Haus – noch dominieren die grauen und schwarzen Töne, aber Sonne und Licht erobern sich zaghaft ihren Raum im zerstörten Haus zurück, damit gibt es Hoffnung, Zukunft, Leben.
Kontrapunkt des photographierten georgischen Hauses – jenes Photo, zu dessen näherer Betrachtung der Gang die Treppe hinauf einlädt. Für mich sofort eine instinktive Assoziation zu meinem Photographen-Idol, dem Franzosen Henri Cartier-Bresson und seinem bekannten Schnappschuss aus dem Paris des Jahres 1952 – zwei ältere plaudernde Damen, zwischen ihnen der drängelnde Hund. Paris auch des Umfeld der Frau mit Kind – ein Schnappschuss ebenfalls mit aktuellem Hintergrund – die beiden streben auseinander, gehören aber zusammen, wobei wir beim Menschenbild Natalis angelangt wären.
Krönender Abschluss – das sind die Lichtreflexe Caravaccios auf dem dahinschwebenden Oberkörper in der Diagonale des Bildes eines leidenden, die nackte Brust mit den Händen beschützenden und verhüllenden jungen Mannes, das Gesicht schon fast in der Dunkelheit verschwindend – Leiden Zerstörung Kontinuität
Ein Knabe, ein heranwachsender junger Mann, aus dem Bildrahmen diagonal hinausstrebend – vielleicht flüchtend vor einer körperlichen Bedrohung, Hilfe suchend.
Das Motiv des diagonal hinausstrebenden Mannes ist so alt wie die bildende Kunst selbst – die Speerwerfer und Diskuswerfer der Antike, die diagonal nach oben springenden Tänzer – sie sind aktiv, kämpfend, die Pose ist nicht die des Leidenden, des Schutzsuchenden.
Hier aber sehen wir Caravaggios Johannes der Täufer, El Grecos Verkündigung, die Assoziationen aus der Malerei drängen sich auf. Und Brüche drängen sich dazwischen – Egon Schieles Akte, in denen sich der Zerrissene, Zerbrechliche selbst darstellt – schließlich die Ikone des Homoerotischen - der von Pfeilen durchbohrte, nach oben aus dem Bild strebende, stumm um Hilfe schreiende heilige Sebastian!
So kommen wir von der Malerei der Gotik und Renaissance und des Frühbarock zur Fotografie. Diesen von Natalie fotografierten jungen Mann muss man retten, muss man schützen, vielleicht sogar vor sich selbst! Natali fotografierte ihn nicht schrill, nicht laut, sie zeichnete ihn behutsam, helfend, verstehend, solidarisch, seine Tragik begreifend, die sich aber erst auf den zweiten, oder gar erst auf den dritten Blick erschließt.
Zwischen den Fotos des Knaben und der Ruine des Hauses hängt das Marmorkreuz vom Grabe des Garnisonpfarrers Emil Frommel – eine fast unerträgliche Spannung! Frommel war ein erzkonservativer Prediger des Krieges, ein enger Freund Kaiser Wilhelm I. Wer war der Bildhauer Trebst? Ein Schüler des großen Fritz Schaper, des Kaisers Monumentalbildhauers, nationalistisch wie Frommel selbst.
Natali neben Frommel, ihre Fotos neben dem Jesus am Kreuz aus Carrara-Marmor, ihre Bilder gegen den Kriegspropagandisten Emil Frommel, der Engel der Verkündigung gegen den protestantischen Pietisten, Caravaccios Knabe gegen den Freund des Kaisers. Hegels List der Vernunft zeigt sich beim näheren Hinsehen ebenfalls am Marmor – Christus hat nach einem Jahrhundert Berliner Lufteinwirkung seine Spitzen verloren – eine stumpfe Dornenkrone, Hände und Füße ohne feine Endungen.
Spannend auch die künstlerischen Widersprüche in der Fotografie Natalis zu den Bildwerken des Friedhofs, den Biographien der Offiziere, zu den Arbeiten der bildenden Künstler und Gestalter, zu Schinkel, Tieck und Soller. Noch spannender aber ist die Beziehung des Knaben zu jenem jungen Steinmetzen George Fromme, der bei einem Arbeitsunfall 1802 am Berliner Schloss ums Leben kam. Von diesem Knaben haben wir kein Porträt, nur eine Steinplatte. Sie ist in viele Teile zerschlagen, aber für den Betrachter wieder zusammengefügt, so dass wir den Text lesen können, der von der Folgsamkeit des Knaben Georg berichtet.
Es schließt sich der Kreis – ich wünsche Besinnung beim Betrachten –
Lassen Sie mich allen danken, die hart gearbeitet haben, um uns diesen Genuss heute zu bereiten, vor allem Peter und Natali selbst, Paul Lins und die ungenannten Helfer.
Die Ausstellung ist eröffnet!
Dr. Dieter Weigert, Vorsitzender des Fördervereins Alter Berliner Garnisonfriedhof e. V.
Ausstellung zum I. Weltkrieg
Marineoffizier Max Plüddemann im Dienste dreier Kaiser - Übersee-Präludien zum I. Weltkrieg"
( ab 10. Mai - verlängert bis 26. Oktober 2014)
Grabstelle Max Plüddemann (1846 - 1910) auf dem Alten Berliner Garnisonfriedhof
Ausstellungsräume im ehemaligen Dienstgebäude
auf dem Alten Berliner Garnisonfriedhof,
Kleine Rosenthaler Strasse 3, Berlin-Mitte
Das Relief auf der Grabstele für Konteradmiral Plüddemann zeigt ein Kriegsschiff der kaiserlichen Marine, das der Seeoffizier bei seinen Eroberungsfahrten vor der Küste Afrikas und in der Südsee kommandierte.
Segeln unter der Reichskriegsflagge
Gedenken an die Opfer des I. Weltkrieges
1914 - 1918
Opfer des I. Weltkrieges
An den Fronten getötete Offiziere, deren Gräber oder Gedenktafeln sich auf dem Offiziersfriedhof an der Linienstraße befinden:
Behlendorf, Ernst , gefallen am 4. November 1918, 29 Jahre, Sergeant der Reserve, Vermessungsabt. 24
Boeckh , Peter , gefallen am 4. April 1917, 22 Jahre, Leutnant im Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiment Nr. 2
Bolderich, Walter, gefallen am 7. August 1916, 24 Jahre, Unteroff.u.Offiz, Aspir.b.Flug-Abwehr-Kanonenzug 51
Bornstedt, Ernst von, gefallen am 7. Mai 1915 (Galizien, Biecz) 30 Jahre, Oberleutnant im Königin Auguste Garde-Grenadier-Reg. Nr. 4
Finke, Bruno, gefallen am 14. Juni 1915, (Galizien, Kehlbach) 19 Jahre, Kriegsfreiwilliger d. 9. Kompanie d. Königin-Auguste -Garde-Grenadier-Reg. Nr.4
Finke, Erich, gefallen am 9. Juni 1915 (Rußland, Schaulen) 24 Jahre, Musketier der 6. Kompanie d. Reserve-Infantrieregiment Nr. 24
Guderian, Friedrich, gefallen am 15. September 1914, 56 Jahre, Generalleutnant
Kruge, Curt , gefallen am 21. September 1914, (Polen) 25 Jahre, Leutnant im Reg. Königs Jäger zu Pferde
Lubarsch, Heinz Adalbert, gefallen am 17. September 1917, 22 Jahre, Fliegerleutnant FA 18, Leutnant im kurmärk. Dragoner-Reg. Nr.14
Luckwald, Franz von, gefallen am 12. Oktober 1914 (Iwangorod, Russland) 35 Jahre, Hauptmann im 2. Garde-Reg. zu Fuß
Maguhn, Wilhelm, gefallen am 1. Januar 1916, 28 Jahre, Leutnant von der Feld-Flieger-Abt. 67
Oetinger, Hans Ritter und Edler von, gefallen am 17. Dezember 1914 (Galizien, Rudka) 58 Jahre, Oberst u. Kommandeur des Res. Inf.-Rgmt. 220
Pochhammer, Erich von, gefallen am 4. Oktober 1914, 55 Jahre, Generalmajor u. Kommandeur der 68. Infanterie-Brigade
Pochhammer, Viktor von, gefallen am 2. März 1915 (Frankreich, Champagne, Perthes) 19 Jahre, Fahnenjunker, 2. Garderegiment z. F.
Rogalla von Bieberstein, Wilhelm, gefallen am 1. Februar 1915 (Frankreich, Chivy) 19 Jahre, Leutnant im Westfäl. Jägerbataillon Nr. 7
Schmuckert, Martin, gefallen am 5. Juni 1915 (Frankreich, Loretto Höhe ) 21 Jahre, Infanterie
Schmuckert, Gerhard, gefallen am 4. September 1916 (Somme) 20 Jahre, Jäger
Schmuckert, Hermann, gefallen am 1. März 1917, 26 Jahre, Fliegerleutnant
Schneider, Walter , gefallen am 6. Januar 1917 (Frankreich, Puisieux-le-Mont), 20 Jahre, Leutnant
Seebach, Johannes von, gefallen am 13. Juli 1915 (Polen) 39 Jahre, Hauptmann
Spranger, Hugo, gefallen am 15. Oktober 1915 (Frankreich, Tahure) 43 Jahre, Oberförster u. Hauptmann der Reserve
Stülpnagel, Heinrich von, gefallen am 22. Oktober 1915, 29 Jahre, Leutnant a.D.
Strubberg, Otto von, gefallen am 23. August 1914, 32 Jahre, Oberleutnant
Witte, Johannes gefallen am 16. September 1914 43 Jahre, Major , Infanterie Reg. 23
Wrochem, Johannes, gefallen am 24. September 1914, 61 Jahre, Generalleutnant
Tragisches Beispiel für die patriotische Verehrung des "Heldentodes" im "heiligen Kampfe" eines 18-jährigen Opfers des Krieges
Sein Vater hatte den "Heldentod" schon vor ihm, in den ersten Kriegsmonaten, gefunden
Grabstein für die gefallenen Brüder Martin, Gerhard und Hermann Schmuckert
Grabstein für die gefallenen beiden Brüder Bruno und Erich Finke